Eine Vision für das 21. Jahrhundert

Wir haben uns mit Christoph Kohl von CKSA Christoph Kohl Stadtplaner Architekten und Harald Fugmann vom Büro fugmann-janotta und Partner zu einem Gespräch getroffen – denn wer könnte uns die Grundidee des Siegerentwurfs besser erklären als die Sieger selbst?

Harald Fugmann

Prof. Christoph Kohl

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Wettbewerbs! Was haben Sie gedacht, als Sie von Ihrem Sieg erfahren haben – haben Sie damit gerechnet?

Christoph Kohl: Insgeheim schon, ja. Nicht so sehr, weil ich auf eine positive Entscheidung der Jury spekuliert hatte, sondern weil ich in 30 Berufsjahren noch nie ein so eindeutiges Votum der Öffentlichkeit erlebt habe. Unser ganzes Büro hat bei den Auswertungen der Stimmen auf der Online-Plattform mitgefiebert. Vom ersten Moment an konnte unser Beitrag rund 50 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen.

Das hat sich konstant durchgezogen. Ich habe morgens, mittags, abends die Stimmauswertung notiert, kam mir vor wie beim „Polit-Barometer“. Ist ja auch was dran: Städtebau, Bürgerbeteiligung, das ist Politik, und die gehört in den öffentlichen Raum. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den beteiligungsfreudigen Duisburgerinnen und Duisburgern für dieses sehr positive und uns unterstützende Stimmungsbild ganz herzlich. Ihr Mitfiebern soll sich gelohnt haben! Wir werden uns mit ganzer Kraft für die Duisburger Dünen einsetzen.

Was hat Sie besonders an der Fläche gereizt, warum haben Sie am Wettbewerb teilgenommen?

Harald Fugmann: Die isolierte, aber gleichzeitig zentrale Lage in der Stadt ist natürlich eine große Herausforderung.

Es hat uns sehr gereizt, dieses große Areal der Stadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern durch die Gestaltung eines attraktiven und nachhaltigen Stadtquartiers zurückzugeben.

Dabei spielt natürlich auch die tragische Geschichte der Fläche eine Rolle, mit der wir angemessen umzugehen versuchten. Ich selbst kenne das Gelände auch aus persönlichen Hintergründen: Ich komme gebürtig aus Mönchengladbach, und wenn am Hauptbahnhof auf dem Weg nach Hause umgestiegen bin, bin ich mit dem Zug immer am Güterbahnhof vorbeigekommen.

Was waren für Sie die größten Herausforderungen bei der Planung?

Christoph Kohl: Die größte Schwierigkeit ist im Grunde die Dimension. Zwar haben wir schon Planungen für ähnlich große Flächen erstellt, aber die ungewöhnlichen Dimensionen, die sich aus den langgezogenen Rangierflächen des ehemaligen Güterbahnhofs ergeben, haben es in sich. In der Regel erstreckt sich ein Quartier eher flächig. Man versucht dann so etwas wie ein Zentrum in der Mitte auszumachen. Dieses Zentrum möchte man dann als „Ort“, als Treffpunkt, als gesellige Mitte gestalten. Diese Aufgabe mussten wir hier nun auf dem sehr langgestreckten Gelände lösen. Dabei kam uns der Park gelegen, der die grüne Linie des Entwurfes bildet. Durchgrünte Wohnwege bilden nachbarschaftliche Treffpunkte. Eine Straße mit Quartiersgeschäften führt zum Stadtzentrum und verbindet so die Fläche mit der Innenstadt.

Zentrum des Quartiers ist der Platz mit dem See am Nordende des Parks mit Raum für Begegnung und Gastronomie.

Was war Ihre Idee für die Loveparade-Gedenkstätte?

Harald Fugmann: Uns war bewusst, dass wir hier sensibel vorgehen müssen, da doch sehr viele noch mit der Bewältigung zu kämpfen haben und das Geschehen in das kollektive Gedächtnis der Stadt eingebrannt ist. Die Loveparade-Gedenkstätte ist wie ein großer, dunkler Schatten, der über diesem Areal liegt. Deswegen wollten wir dem Gedenken den angemessenen Rahmen geben und gleichzeitig das Stadtquartier von der Schwere der Geschichte befreien.

Die Gedenkstätte nimmt eine zentrale Position ein.

Wir wollten den Betroffenen den nötigen Raum geben, um ihrer Lieben und ihrem Schicksal zu gedenken, und in einer gewissen Entfernung darüber informieren, dass das Geschehen nicht in Vergessenheit gerät. Um das ganze Ausmaß des schrecklichen Unglücks auch für Unbeteiligte erfahrbar und verständlich zu machen, haben wir daher vorgeschlagen, die ursprüngliche Breite und das Gefälle der Rampe wiederherzustellen.

Christoph Kohl: Ich habe selbst, während der Zeit des laufenden Wettbewerbs, einen schweren Fahrradunfall überlebt und werde mich noch länger mit den daraus resultierenden körperlichen und posttraumatischen Einschränkungen auseinandersetzen müssen. Mit dieser Grenzerfahrung konnte ich mich besonders hineindenken in ein „Was-wäre-wenn“. Für mich musste die Gedenkstätte darum ein schöner, irgendwie heiterer Ort des Gedenkens werden, der Mut gibt, weil er an das Schöne und Gute glauben lässt. Für mich soll es ein versöhnlicher Ort werden, der für jeden eine sinnliche „Kontaktaufnahme“ zu den Opfern möglich machen kann.

Wie kamen Sie auf den Titel „Duisburger Dünen“?

Harald Fugmann: Das Thema ‚Duisburger Dünen‘ ist natürlich positiv besetzt, die Duisburger lieben die Nordsee und viele verbringen jedes Jahr ihren Urlaub dort. Der Titel ist griffig und sofort eingängig. Für uns ist es aber nicht nur ein Label, es hat direkt einen Bezug zu unserem Bestreben, den erforderlichen Lärmschutz entlang der Autobahn in eine schöne Gestaltung einzubetten. Deswegen haben wir uns für eine sanfte, an Dünen erinnernde Gestaltung der Landschaft entschieden, die den Park prägen und besondere Aussichtspunkte schafft.

Wie sind Sie mit den Ideen und Kommentaren aus der Online-Bürgerbeteiligung umgegangen?

Christoph Kohl: Christoph Kohl: Beim Entwurfsprozess war für uns besonders hilfreich, dass schon vor Beginn der Entwurfsarbeit der Architekturteams so viele gute Vorschläge der engagierten Bürger eingegangen waren. So tauchten nicht später noch Ideen auf, die man nachträglich in den Entwurf hätte einbauen müssen. Der gesammelte Input hat also von Anfang an unsere Arbeit geprägt. In der zweiten Stufe sind wir noch einmal durch alle Bürgerbeiträge gegangen und haben gecheckt, ob diese ihren geeigneten Platz finden würden.

Was uns inspiriert hat, war die Vielfalt an Ideen und Wünschen. Wir wollten daher ein Stück Stadt entwerfen, in dem die Umsetzung dieses Ideenreichtums der Bürgerschaft möglich sein würde.

Unser Entwurf besteht darum aus tiefen Baufeldern, die flexibel in größere und kleinere Grundstücke aufgeteilt werden können. Somit hat alles Mögliche Platz: größere und kleinere Gewerbebauten, verschiedenste Wohntypologien und viele weitere Nutzungen. Auch der große zusammenhängende Park bietet Platz für alles Mögliche, das man in einem Grünraum machen möchte. Wir haben verschiedene Straßen und Räume entworfen, in denen jede Initiative auch einen passenden Raum finden kann. Nicht alles ist jetzt schon festgelegt,

Der Entwurf bietet für die Zukunft einen flexiblen und hoffentlich inspirierenden Rahmen.

Wie geht es denn nun weiter, was passiert in den kommenden Monaten und Jahren?

Harald Fugmann: Der Wettbewerb war sozusagen die ‚Kür‘ – hier wurden tolle Bilder erarbeitet, wie wir uns das Areal in 10 Jahren vorstellen – jetzt kommt die ‚Pflicht‘. Jetzt kommen alle unsere Ideen und Vorstellungen auf den Prüfstand. Hier müssen wir beweisen, dass wir nicht nur hübsche Bilder und Pläne produzieren können, sondern sie müssen auch vor dem Hintergrund der technischen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen umsetzbar und nachhaltig sein, so dass wir in einer Dekade tatsächlich durch ein lebendiges Quartier spazieren können.

Konkret steht jetzt erst einmal mit der Stadt und der GEBAG die Erarbeitung eines verbindlichen Rahmenplans an. In diesen Arbeitsprozess, der bis zum Jahresende abgeschlossen sein soll, werden viele Experten wie Verkehrsplaner, technische Experten und Ökologen einbezogen. Der Rahmenplan wird Grundlage für das anschließende Bebauungsplan-Verfahren.

Christoph Kohl: In der Zusammenarbeit mit der Stadt, der GEBAG und allen weiteren beteiligten Gremien und Institutionen möchten wir einen Stadtteil konzipieren und im Idealfall auch mitrealisieren, der den Rahmen für vollwertiges städtisches Leben im 21. Jahrhundert schaffen wird.

Die Beurteilung aller beteiligten Gremien, aller Ämter, auch der Vertreter der Loveparade-Stiftung zu unseren Planungen ist durchwegs positiv. Das gilt im Besonderen für die beteiligungsfreudigen Duisburgerinnen und Duisburger. Unser Dank geht vor allem an sie.